Der hannoversche Europakandidat der SPD, Bernd Lange, spricht mit der HAZ über Jugendliche und Europapolitik, Populismus, Handel – und Oldtimer.

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Bernd Lange aus Burgdorf will erneut für die SPD in das Europarlament einziehen.

Herr Lange, warum ist diese Wahl wichtig?

Weil sie eine Richtungswahl ist. Im europäischen Parlament wird in allen Bereichen Gesetzgebung gemacht. Nun muss man wählen, ob man das Schiff Europa wieder auf Kurs bringen oder ob man es Nationalisten überlassen will. Wir entscheiden, ob dieses erfolgreicheSchiff auch eine erfolgreiche Zukunft hat.

Trotzdem treibt viele die Sorge vor einer geringen Wahlbeteiligung um. Was erwarten Sie?

Ich gehe davon aus, dass sie über 50 Prozent liegen wird. Wir hatten zuletzt nur ein Drittel der Jugendlichen bei der Wahl. Jetzt haben wir Themen wie Urheberrechte im Internet, Fridays for Future, Handelskonflikte, von denen sie sehr direkt betroffen sind. Die Diskussionen darüber haben sie motiviert, sich stärker mit europäischer Politik auseinanderzusetzen.

Sie sind seit 1994 mit einer Wahlperiode Unterbrechung Europaparlamentarier. Was hat sich seitdem geändert?

Das Bewusstsein, dass wir im politischen Spektrum von ganz links bis ganz rechts für die Weiterentwicklung Europas arbeiten, war vor 20 Jahren vorhanden. Jetzt ist es weg. Vor allem bei den rund 150 Rechtspopulisten gibt es nun die Auffassung,Europa grundsätzlich zu verändern.

Wie äußert sich das?

Viele dieser Kollegen beteiligen sich nicht an der Gesetzgebungsarbeit. Sie nutzen

Europa lediglich als Bühne, um antieuropäische Auffassungen zu verbreiten. Bisher sind sie zersplittert. Die größte Gefahr ist, dass sie sich zusammenschließen.

Wie unterscheiden sich Europapolitik auf der einen und Bundes- oder Landespolitik auf der anderen Seite voneinander?

Es gibt keine klar definierten Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Deshalb wird zum Beispiel in den Fachausschüssen sachorientierter gearbeitet. Manchmal weiß man im Vorfeld nicht, welche Auffassung nun die Mehrheit hat. Wir stimmen elektronisch ab, und der Blick auf die Anzeigetafel hat schon Überraschendes erbracht. Ich finde das übrigens urdemokratisch.

Was wollen Sie für die Region Hannover in Europa erreichen?

Niedersachsen ist ein exportorientiertes Land, nicht nur durch die Automobilindustrie und den Maschinenbau, sondern beispielsweise auch in der Ernährungswirtschaft. Ich möchte, dass es stabile Handelsbeziehungen gibt. Das hilft großen Unternehmen, aber auch vielen kleineren. Davon profitiert auch die RegionHannover – wie übrigens auch von den europäischen Mitteln zur Forschungs- und Strukturförderung, für die wir uns im Parlament stark gemacht haben.

Beim Thema Handel kommt man schnell zu den Briten. Was machen die?

Immerhin reden sie jetzt auf politischer Ebene untereinander. Das Risiko, dass sie ohne Vertrag die EU verlassen, ist geringer geworden. Bis auf ein paar verrückte Brexiteers will das keiner mehr.

Was ist für Sie das Wichtigste an Europa?

Das Prinzip, Herausforderungen durch Kooperation statt Konfrontation zu lösen.

Das wird nach außen nicht immer klar, Stichwort Ungarn...

... ja, Herr Orban will mit der Konfrontation spielen, aber das ist nicht das europäische Prinzip. Irgendwann ergibt sich die Frage, ob Ungarn unter seiner Regierung Mitglied sein kann, weil sie fundamentale Werte verletzt. Ich sehe jetzt schon überhaupt nicht die Grundlage, wie man anUngarn noch Fördergelder zahlen kann, wenn dort die Rechtsstaatlichkeit nicht gewährleistet ist.

Und was ist der größte Fehler der EU?

Ich glaube, bei der Währungsunion sind die sozialpolitischen und gesellschaftlichen Ergänzungen nicht hinreichend gestaltet worden.

Welche wären das?

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort zum Beispiel. Wir brauchen einen Rahmen für einen europäischen Mindestlohn, so dass gewährleistet ist, dass man durch die eigene Arbeit ein eigenes Auskommen hat. Und wir brauchen auch ein Sicherheitsnetz, wenn es Schocksituationen in einzelnen Ländern gibt wie zum Beispiel inGriechenland. Das kann zum Beispiel ein sozialer Krisenfonds sein.

Sie sind Mitglied einer Oldtimergruppe im Parlament. Wie kommt man zu dieser Funktion?

Die Faszination für Oldtimer ist international, und sie sind mit europaweit zwei Millionen zugelassenen Fahrzeugen auch ein Wirtschaftsfaktor. Ich habe schon als Jugendlicher Bauern in meiner Heimat alte Motorräder abgekauft und sie wieder aufgemotzt.

Sind Sie Schrauber oder lassen Sie schrauben?

Nein, das mache ich selbst, in einer kleinen Halle in Burgdorf-Otze mit Hebebühne und allem, was dazu gehört. Das schöne ist: Wenn man einen Oldtimer repariert hat, ist man mit der Arbeit fertig. Das gilt in der Politik nicht immer, weil sich die Dinge ständig weiterentwickeln.